Transalpine Run 2019, Epilog
- Bergfuß und Talfuß
- 6. Okt. 2019
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Okt. 2019
Es ist eine geraume Zeit vergangen bis es soweit war, aber nun ist es verdaut, das Rennen quer über die Alpen in acht Etappen, genannt Transalpine Run. Man mag es nicht glauben, aber die ersten Tage zu Hause wollten wir gar nicht miteinander über das Erlebte sprechen, zu überwältigend waren die Eindrücke noch, zu schwer in Worte zu fassen. Nun haben wir aber vieles Revue passieren lassen und können unsere Emotionen endlich in Worte fassen. Dieser Beitrag bildet den Abschluss eines Projektes, das ein Dreivierteljahr gedauert hat, und endlich gut geworden ist.
Danke fürs Mitlesen!
Throwback Sandra
Gleichzeitig real und surreal, atemberaubend und energetisierend, wunderschön und gewaltig, so ist der TAR 2019 in die Geschichte eingegangen, in meine ganz persönliche Lebensgeschichte.
Ist das nicht ein bisschen übertrieben?", das wird sich jetzt vielleicht so manche/r Leser/in denken. Nein. Denn so eine Alpenüberquerung zu Fuß wird man weder physisch noch psychisch so schnell los...
Nun sind schon einige Tage vergangen, seit wir unser Finish in Sulden bejubeln durften... Und er taucht immer noch auf. In Gedankenfetzen. Urplötzlich. Die Hand eines unbekannten Mitstreiters auf meiner Schulter, die mich hochzieht, nachdem ich mit blutendem Knie am Boden liege; Camilla aus Brighton, jubelnd, bei den 5, 4, 3, 2, 1 km to go Tafeln; eine menschliche Ameisenstraße von oben; der Streckenchef am höchsten Punkt der Etappe, unermüdlich eine mächtige Kuhglocke läutend; Läuferbeine von hinten, in allen Variationen. Und alle Bilder rufen ein Lächeln hervor und die Sehnsucht, an jene Orte zurückzukehren, zu laufen, alle noch einmal zu erleben, zu marschieren, frei zu sein.
Oft wurde ich nach Zeit oder Platzierung gefragt. Das Schöne ist: Ich kann diese Frage gar nicht genau beantworten. Zeit und Platzierung waren noch nie so unwichtig. Und trotzdem war es das beste Rennen, das ich bisher bestritten habe, weil es bis dahin keinen anderen Bewerb gegeben hat, der mich so zurückgelassen hat. So zufrieden. So stark. So unerschütterlich.
Throwback Werner
Immer wieder halte ich inne und starre aus dem Fenster, Bilder und Momente des TARs schwirren mir durch den Kopf. Nicht immer kann ich zuordnen, wann und wo genau auf den 273 Kilometern das stattgefunden hat. An zu vielen wunderschönen Orten war ich in zu kurzer Zeit und zu viele schöne Augenblicke mit vielen neuen Bekannten durfte ich in dieser einmaligen Woche erleben.
Am ersten Tag stand ich noch vor Selbstvertrauen strotzend an der Startlinie, kurze Zeit später lag ich mit Krämpfen am Boden und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Ein wunderschöner Zielleinlauf am ersten Tag ließ mich aber genügend Hoffnung schöpfen, sodass ich am zweiten Tag tatsächlich wieder angreifen wollte, obwohl ich mit komplett kaputten Beinen am Morgen aus dem Bett gestiegen war. Und ab dem dritten Tag wurde ein Tag besser, schöner und erfolgreicher als der vorhergegangene. Beim Bergsprint in Samnaun am Stockerl zu stehen, ausgerechnet an jenem Tag, an dem unsere Familie zum Anfeuern angereist war, war wohl einer der besten Momente der gesamten Woche.
Aber auch die Frage, wie ich mit Krämpfen am Boden liegend die erste und dann noch die folgenden Etappen meistern konnte, beschäftigte mich immer wieder. Es ist wohl das große Ziel, das schier Unmögliche schaffen zu wollen, das einen immer weitermachen lässt, aber auch die Verpflichtung der Partnerin gegenüber weiterzukämpfen, sich am Riemen zu reißen und seinen Beitrag zum gemeinsamen Erfolg zu liefern. Das Ziel ist das, was einen antreibt, aber in der Situation habe ich versucht, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf jene Dinge, die ich beeinflussen und steuern kann, einen Fuß vor den anderen zu setzten und mich gut zu verpflegen. Trotzdem, Zweifel waren meine ständigen Begleiter. Und es ist erstaunlich wie sehr eine starke Partnerin hier helfen kann, obwohl nicht viel gesprochen wird.
Die vielen Berichte, dass der TAR einen verändert, kann ich bestätigen. Alles scheint viel leichter erreichbar zu sein und das Gefühl der Freiheit, nichts müssen zu müssen, sondern alles machen zu können, lässt schwierige Situationen im Berufs- und Privatleben viel machbarer werden.
Was ich nun aus dem TAR mitnehme, sind die vielen positiven Erinnerungen und die einmalige Woche mit Sandra. Und eines möchte ich mir nun in Zukunft immer vor Augen halten: Wenn man kurz vor der Aufgabe steht, alle Möglichkeiten, Einflüsse und Auswirkungen rational abgewogen sind und offensichtlich alles in die Entscheidung miteingeflossen ist, weiß man trotzdem nicht, wie sich die Zukunft entwickeln wird. Hätte ich am ersten Tag aufgegeben, hätte ich alles versäumt. Aufgeben ist keine Option, weil man nicht weiß, was man alles verpassen wird.
TAR-Wordrap
Persönliches Highlight:
Sandra: "She had a big fall and is still in front of us. No crying, no suffering, just running." Der 20-minütig Sprechgesang des us-amerikanischen Athleten hinter uns nach meinem Sturz. Unvergleichlich motivierend. Ich hatte nie mehr so viel Energie. Made my week.
Werner: Der emotionale Zieleinlauf nach der geschafften Königsetappe.
Häufigster Gedanke unterwegs:
Sandra: Wie weit gehts da NOCH runter?
Werner: Wie geil ist das denn?
Tiefpunkt:
Sandra: Die letzten fünf Kilometer der Königsetappe. Die mentale Erschöpfung hat mich das erste und einzige Mal übermannt.
Werner: Eindeutig die Kilometer 15 bis 30 der ersten Etappe.
Das ist mir am häufigsten auf der Zunge gelegen:
Sandra: Geh halt vor, wenn du noch soviel Energie hast!
Werner: Lass uns etwas schneller laufen!
Zahlen und Daten:
Wettkampfdauer: 8 Tage
durchquerte Länder: 4
zurückgelegte Kilometer: 272,7
bewältigte Höhenmeter: 16.162
niedrigster Punkt: 778m
höchster Punkt: 2790m
benötigte Zeit: 43h:38m:16s
Gesamtplatzierung: 8
beste Etappenplatzierung: 3
schlechteste Etappeplatzierung: 19
max. Temperatur: 31°
min. Temperatur: -2°
Eindrücke und Emotionen: Millionen
Wer uns nicht glaubt, wie unglaublich emotional dieses einmalige Rennen über die Alpen ist, darf sich mit folgendem Video und eindrucksvollen Bildern selbst davon überzeugen.
















Unglaublich was ihr da geleistet habt und vielen Dank, dass wir daran teilhaben durften. Da bekommt man direkt Appetit drauf so etwas gigantisches ebenfalls zu machen ! Nur kann man sich ja ungefähr vorstellen wie da die Vorbereitung mit den unzähligen Trainingseinheiten ausschauen muss!🙈😂
Nochmals unsere Gratulation zu der tollen Leistung. Vor allem vielen Dank für eure Beiträge, die es uns ermöglicht haben ein Bisschen eure Welt kennenzulernen. Vielen Dank und weiter so. Rosi und Karl